Mittwoch, 31. Oktober 2012

"Mama, müssen alle Menschen einmal sterben?"

Diese Frage stellte mir mein Töchterlein vor einigen Wochen.
Los ging das Thema schon vor längerer Zeit, als ich eines Nachmittags mein Töchterlein und deren Freundin vom Kindergarten abholte. Beide Mädels fingen im Auto auf einmal an mir zu erzählen was für ein "tolles" neues Spiel sie im Kiga gespielt haben. "Mama, wir haben tot gespielt"!
Ich meinte dass das aber kein schönes Spiel sei und zur Antwort bekam ich "doch Mama, wir sind alle tot umgefallen und dann hat der ... in die Hände geklatscht und dann waren wir wieder da..."
Ich versuchte es zu erklären dass das eben nicht so ist, wenn man tot ist, ist man tot, und dass ist nicht schön, dann ist man nicht mehr da, nie mehr...

Töchterleins Freundin trieb es da noch etwas bunter, sie wollte dass ihr Onkel tot umfällt um zu sehen ob er danach wieder aufsteht.
Bei uns kam das Thema dann erst ein paar Tage später wieder zur Sprache, als mich Töchterlein eines Abends fragte "Mama, müssen alle Menschen einmal sterben?"
"Ja, irgendwann müssen wir alle eimal sterben" *schluck*
Ich muss gestehen dass mich dieses Thema im ersten Moment etwas überforderte.
Ich rechnete nicht damit dass mich ein vierjähriges Kind schon so etwas fragt, ertappte mich sogar mit dem Gedanken "wieso hast Du mich nicht erstmal gefragt wo die Babys herkommen?" *g*

Zwischenzeitlich war dieses Thema auch im Kiga present und meine Freundin und ich kamen ins Gespräch, ich muss dazu sagen dass meine Freundin die Mama von Töchterleins Kiga-Freundin ist und so kamen wir zu dem Entschluss mit unseren Mädels auf den Karlsruher Hauptfriedhof zu gehen.
Ich sprach diese Idee bei Töchterleins Erzieher an und er fand diese Idee ebenfalls nicht verkehrt, im Gegenteil.
Töchterlein besucht ja einen freien Kindergarten, also keinen kirchlichen. Dementsprechend machen die Kinder dort nicht, ich sag jetzt mal, das Kirchenjahr "durch" wie z.B. in einem katholischen oder evangelischen Kiga. Dort ist es vielleicht ganz "normal" an Ostern über Tod und Auferstehung zu reden etc...
Ich unterhielt mich eine Weile mit unserem Erzieher und er meinte dass er die Idee nicht schlecht findet, es leider noch bei vielen Familien so ist dass dem Thema "Tod" aus dem Weg gegangen wird und viele Kinder erst damit konfrontiert werden wenn es z.B. einen Todesfall in der Familie oder Freundes,-/Bekanntenkreis gibt.... viele Eltern und ja, auch Kinder dann total damit überfordert sind.

Also zogen wir vor knapp 4 Wochen, an einem schönen Freitag Nachmittag in Richtung Hauptfriedhof. Es war ein wunderschöner, sonniger Nachmittag.
Altweibersommer, wie man so schön sagt ;-) raschelndes Laub auf dem Boden, tanzende Blätter in der Luft...und diese Ruhe, diese Stille um einen herum.


Wir wollten nicht planlos durch den Friedhof spazieren sondern machten erstmal den "Lebensgarten" durch.
Es handelt sich dabei um einen symbolischen Trauerweg in 14 Stationen. Ein sehr schön angelegter Garten, steinige Wege, aber auch "glatte", über Brücken etc...
Während ich versuche hier die richtigen Worte zu finden merke ich gerade dass es mir bei diesem Thema garnicht so leicht fällt.
Ich zitierte mal einen kleinen Ausschnitt aus der Karlsruher Stadtzeitung 

..." In 14 Stationen führt der symbolische Trauerweg von der Zeit, als "alles noch in Ordnung" war, über den Schock des Todes in die Zeit der inneren und äußeren Auseinandersetzung mit Gefühlen und Gedanken, um sich dann zunehmend mit der Gestaltung des eigenen weiteren Lebenswegs zu befassen. Auf dem Weg durch den Lebensgarten findet der Trauernde Texte, die zur inneren Auseinandersetzung anregen, Materialien, die das Erleben nachempfinden helfen, und eine Bepflanzung, die den geschützten Rahmen des Gartens ausmachen..."





Recht "neu" ist auch der Spielplatz auf dem Friedhof. Durch Zufall schnappte ich das mal in den Medien auf, vor allem wie darüber diskutiert wurde. 
"Wie? Ein Spielplatz auf einem Friedhof? Das geht doch nicht...dies ist ein Ort der Ruhe, Stille, der Trauer etc... was haben da spielende, tobende Kinder zu suchen..."?



Die Idee dahinter, das Konzept finde ich sehr schön, wobei "schön" schon wieder so ein Wort ist wo ich mich frage "passt das überhaupt zu so einem Thema"? Aber ja, es gut um die "Trauerwelt" von Kindern und Jugendlichen. Wie verarbeiten sie den Verlust eines Elternteils, der Geschwister oder Großeltern?
Wie fühlt es sich für sie an, wie gehen Kinder mit der Trauer um???

Wir betraten also den Spielplatz mit unseren Töchterlein, er ist aufgeteilt, was unter anderem auch zwei "Welten" symbolisieren soll.
Die "fröhliche" und die "trauernde" Welt von Kindern.
Eine Holzbrücke verbindet die beiden Welten.




In der föhlichen, heilen Welt funktionieren alle Spielgeräte. Man kann schaukeln, rutschen, sandeln...
Läuft man über die Brücke in die trauernde Welt so steht man ebenfalls auf einem Spielplatz, allerdings sind die Eimerchen, Schaufeln und Co im Sandkasten festbetoniert. Die Schaukeln sind so befestigt dass man zwar darauf sitzen, jedoch nicht schaukeln kann, und auf dem Hügel wo die Rutsche steht, ist auf der anderen Seite eine festere Folie auf der man nur sehr schwer den Hügel runter rutschen kann....
Überall sind Tafeln, mit gemalten Bildern, kleinen Aufsätzen und Beschreibungen wie Kinder den Tod und die Trauer erleben. 
Ein bedrückendes, komisches Gefühl...ich musste mit den Tränen kämpfen beim lesen.






Und wie war es  für Töchterlein?
Schwer zu sagen. Natürlich mussten wir sie und ihre Freundin etwas einbremsen was das laut sein und toben angeht. Dies funktionierte problemlos.
Wir versuchten es so gut es ging kindgerecht zu erklären. Ich muss sagen, garnicht so einfach. Vor allem habe ich gemerkt dass ich auch vieles verdränge was dieses Thema angeht.
Mein Töchterlein hat mich erstaunt wie neugierig und vor allem "offen" und einfach "gerade aus" sie damit umgeht, dass da Fragen kamen die einfach ehrlich und neugierig waren.

"Mama, sind da überall Menschen begraben?"
"Ja, aber weißt Du, dass ist nur der Körper, die Seele geht auf Reisen... derjenige der gestorben ist darf es sich aussuchen was er sein möchte oder wo er hin möchte...manche mögen vielleicht in den Himmel und sitzen auf einer Wolke, ein anderer mag vielleicht ein Schmetterling oder eine Blume sein...was derjenige eben mag..."

Wir kamen an Engelsstatuen vorbei und plötzlich hatten wir es von Menschen die vielleicht auch als "Schutzengel" wieder auf die Erde kommen und auf einen aufpassen.
Wie schon geschrieben, für mich persönlich war es garnicht so einfach die passenden Worte zu finden aber ich hoffe mal dass es ganz ok war...
Auf dem Weg in Richtung Ausgang sahen wir eine ältere Frau ein Grab pflegen, Blumen gießen etc. Töchterlein wollte natürlich wissen was die Frau da macht.
Kaum war ich fertig mit erzählen meinte meine Maus total selbstverständlich "Mama, wenn Du mal tot bist dann muss ich Dich auch gießen".

"Das musst Du nicht, wie Du magst". Ich musste lachen, lachen über diese Selbstverständlichkeit und ich fragte mich ob Kinder allgemein noch eine ganz andere Einstellung zum Tod haben.
Ist er überhaupt schon so greifbar?
Für Kinder ist die Zeit ja nochmals was ganz anderes. Sie leben in den Tag hinein und ein Morgen oder Übermorgen ist ja noch soooo lange.
Wo hat da der Tod platz?

Manchmal wünschte ich, ich hätte auch noch etwas von dieser Selbstverständlichkeit.
Es hat lange gedauert bis ich diesen Post fertig hatte, und ja, bis spätestens Samhain wollte ich ihn fertig haben. Er passt einfach.

Mein Töchterlein erstaunt mich immer wieder und ich bin gespannt was für Fragen "des Lebens" da noch beantwortet werden möchten.
Mit der Zeit wird es sicher "einfacher", man kann vielleicht noch mehr erklären, muss nicht so aufpassen was für Wörter man wählt.
Doch die Frage die ich mir häufig stelle ist,

wie bringe ich meinem Kind das alles "wertefrei" rüber?
Was ist der nächste Schritt wenn man den "nicht christlichen" Weg wählt?

Im Kiga hat sie keine Berührungspunkte was ich nicht schlecht finde, aber ich habe es auf dem Friedhof gemerkt.
"Mama, wer ist der Mann da am Kreuz?"
"Wer ist die Frau mit dem Kind?"

Ich antwortete zwar, ging aber nicht weiter darauf ein. Nicht weil ich mich weigere, dass wäre Schwachsinn, sondern weil ich an diesem Nachmittag selbst mit den Gedanken beim leben und sterben war.
Es wäre Schwachsinn wenn ich versuchen würde mein Kind vor dem christlichen Glauben zu bewahren, sie soll irgendwann selbst entscheiden und ihren Weg gehen, wenn sie älter ist selbst hinterfragen...
Zum hinterfragen gehört aber auch wissen,
und das wird wohl alles noch sehr spannend werden....

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